Logo-Verbraucherzentrale„Kleidung tauschen, verkaufen oder verschenken“ – das ist die Mission der Online-Plattform „Kleiderkreisel“. Doch in der Zwei-Millionen-Community herrscht Aufruhr wegen des umstrittenen Bewertungssystems.

„Kleidung tauschen, verkaufen oder verschenken“ – das ist die Mission der Online-Plattform „Kleiderkreisel“. Wie beim Auktionsportal eBay lassen sich hier Klamotten, Ketten und Kosmetik mit Fotos präsentieren – nur kostenlos. Das Motto: „Mach mit und kämpfe stilvoll gegen Verschwendung“.

Die Botschaft kommt an. Vor sechs Jahren gegründet, hat Kleiderkreisel nunmehr zwei Millionen zumeist Mitkämpferinnen rekrutiert und fast eine halbe Million Facebook-Fans gewonnen. In der Mehrzahl sind sie zwischen 14 und 24 Jahren alt. Täglich wechseln über die Börse rund 30.000 mal Hose und Hemd, Schuh und Shirt die Besitzerin.

Wobei es mit dem Stil so seine Sache ist. Denn die Kleider kreiseln recht einfach: Verkäufer anmailen, online den Preis aushandeln, Adresse gegen Kontodaten tauschen, Geld überweisen und warten, bis der Paketbote klingelt.

Doch auf den warten viele vergebens. Denn Kleiderkreisel ist verlockend für so manchen Betrüger. Etwa für „Lina2020“ (Nicknamen geändert). Sie stellte verführerische Lock-Angebote auf dem virtuellen Flohmarkt online: trendige Nike Schuhe in weiß-rosa für knapp 45 Euro und selbstgenähte Kleider im Rockabilly-Stil für je 40 Euro. Dutzende Frauen verloren ihr Geld.

Eigentlich sollten solche Mehrfachverkäufe auf Kleiderkreisel gar nicht möglich sein. Denn die Internetseite will den privaten Verkauf ankurbeln – und nicht den gewerblichen. Problem nur: Interessenten können nicht erkennen, ob ein Artikel schon einmal oder gar mehrmals vertickt wurde.

Sicher: „Lina2020“ gibt es überall. Laut Kleiderkreisel geht lediglich bei einem Prozent aller Transaktionen etwas schief, das wären rund 300 täglich. Auf eine andere Quote kommt jedoch Sabine Schulz (Name geändert). Die 25-jährige Kölnerin kreiselt seit einem Jahr und erlebte bei zwei von sechs Käufen einen Reinfall. Auch ihre privat gestartete Facebook-Umfrage zeigte: Von rund 60 Kleiderkreisel-Frauen fühlte sich jede vierte schon mindestens einmal übers Ohr gehauen.

Im Forum der Plattform fordern viele Userinnen vehement Veränderungen. Hauptärgernis ist das Bewertungssystem. Das nämlich lädt geradezu ein zum Faken: Kommentare darf jeder unabhängig von einem Deal schreiben.

So irritierten „Zwetschke14“ die Zeilen einer ihm unbekannten „whiti99“: „Netter Kontakt! Top Ware! Kauft alle bei ihm ein“. Sowas putzt das Profil zwar ganz ungemein, aber nicht das Gewissen redlicher Verkäufer.

Deshalb konterte „Zwetschke14“ harsch: „Was soll das? Brauche keine Fake-Bewertungen.“ Doch die sind mittlerweile für manchen eine Art Währung auf Kleiderkreisel. User, die Fake-Bewertungen verteilen, hoffen darauf, dass sie positive Fake-Kommentare zurückbekommen.

Es geht noch dreister. „Tausche eine super nette und lange Bewertung gegen ein Teil aus deinem Katalog.“ Solche Nachrichten lösten nicht nur bei „Holly-Wood9“ Kopfschütteln aus.

Kreislerin „promimaus“ wiederum beschwerte sich über ein unmoralisches Ansinnen, nachdem sie einen Kauf negativ beurteilt hatte. Die Abgewertete hätte drei positive Bewertungen von Freundinnen angeboten, wenn das Verdikt gelöscht würde.

Dass solche Merkwürdigkeiten keine Einzelfälle sind, weiß auch Susanne Richter. Sie gehört zum sogenannten Kleiderkreisel-Kommando, das sich aus über einem Dutzend Mitarbeitern zusammensetzt.

„Es passiert häufiger, dass das System missbraucht wird und Bewertungen gefaked werden“, bekennt Richter. Ein „Kaufen-Button“ könnte den Missbrauch erheblich erschweren. Mit dem nämlich könnte eine Bewertung nur nach einem Kauf abgegeben werden.

Doch anders als das Auktionsportal eBay finanziert sich Kleiderkreisel nicht durch Verkaufsprovisionen, sondern bislang allein durch Werbung. Vor allem deshalb lasse der technisch aufwendigere Button auf sich warten.

So lange das gilt, haben Abzocker leichtes Spiel. Selbst schlechte Bewertungen sind für sie kein Hindernis. Es reicht einfach, den Account zu löschen und sich unter anderem Nickname zu registrieren: mit neuer weißer Weste.

Merkwürdig, aber irgendwie passend: Bewertungen, die unter dem alten Account abgegeben wurden, bleiben auf den Profilen der anderen User unter „Unbekannt“ erhalten.

Da verwundert es nicht, dass Kleiderkreisel in seinen „rechtlichen Hinweisen“ ausdrücklich „keine Haftung für gescheiterte Transaktionen“ übernehmen mag.

Doch so ganz schutzlos möchte Kleiderkreisel seine Mitglieder nicht lassen. Richters Tipp: „Sucht nach Usern mit einem blauen Häkchen am Nickname.“

Denn das bedeutet, dass Adress-Daten von Kleiderkreisel verifiziert wurden: per SCHUFA-Identitätscheck. Doch nur wenige Mitglieder investieren bislang die 2,99 Euro ins Vertrauens-Häkchen. Sicherheit vor Verkäufer-Schmu bietet es eh nicht.

Denn anders als gewerbliche Händler müssen private Verkäufer nicht das Versandrisiko tragen. Sprich: Kommt ein unversichertes Päckchen nicht an, hat der Besteller das Nachsehen.

Deshalb sollte, wer auf Kleiderkreisel partout nicht verzichten will, den Rat der Verbraucherzentrale NRW beherzigen: sich im Zweifel auf Klamotten aus der näheren Umgebung beschränken. Denn die lassen sich nach Absprache besichtigen, anprobieren und – wenn auch der Preis passt – bar bezahlen.

Pressemitteilung Verbraucherzentrale NRW


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