Die Weichen sind gestellt: Phoenix Contact hat einmal mehr die Rolle des Vorreiters übernommen und lässt nun andere Unternehmen an den gemachten Erfahrungen partizipieren. Vor zwei Wochen hatten zehn Flüchtlinge ein zweiwöchiges Praktikum bei dem Blomberger Unternehmen begonnen. Den Teilnehmern wurden in dieser Zeit Einblicke in die betrieblichen Abläufe eines Industrieunternehmens vermittelt. Das Unternehmen nutzte diese Möglichkeit, um mit diesem Pilotprojekt erste Erfahrungen mit der beruflichen Integration von Flüchtlingen in der Industrie zu sammeln.
Prof. Dr. Gunther Olesch leitete die Pressekonferenz ein: „Unter dem Motto „Gib Flüchtlingen eine Chance“, haben wir die Herausforderung gewagt. Unsere Ziele waren dabei das Sammeln von ersten Erfahrungen mit der beruflichen Integration von Flüchtlingen und die Überprüfung der Möglichkeit zur späteren Einstellung bei Netzwerk Lippe. Zudem wollten wir auch Vorbild für andere Unternehmen sein und würden uns nun wünschen, dass unserem Beispiel gefolgt wird. Die Auswahl der Flüchtlinge haben Netzwerk Lippe und die Agentur für Arbeit für uns übernommen. Als Anforderungen an die Flüchtlinge haben wir den Behörden lediglich kleinere Voraussetzungen mitgeteilt. Die Flüchtlinge sollten aus einem Kriegsgebiet kommen und entweder deutsch oder englisch sprechen. Zudem sollten die Flüchtlinge möglichst zu unserem Unternehmen passen, also bestenfalls eine technische Qualifikation „vorweisen“ und bereits einer Kommune zugewiesen worden sein, um die räumliche Nähe zum Unternehmen zu haben.“
„Wir können mit Bestimmtheit sagen, dass alle zehn Flüchtlinge eine sehr hohe Motivation gezeigt haben. Sie waren zuvorkommend und sehr höflich. Das Praktikum hat aber auch gezeigt, dass die deutsche Umgangssprache durch Land und Bund zu optimieren ist. Dies aber auch durch das Ehrenamt, alles kann der Staat hier nicht alleine leisten. Sprachkurse müssen ergänzend auch fachspezifisch erfolgen, eine Aufgabe für die Unternehmen. Aufgrund des hohen Betreuungsaufwandes sollten Kleingruppen gewählt werden und die Gruppen sollten eine einheitliche Sprache sprechen. Entweder Deutsch oder Englisch, dass macht es dann einfacher“, resümierte Olesch.
Zwei Mitarbeiter hat das Unternehmen für das zweiwöchige Projekt abgestellt. Der erhöhte Bedarf resultierte unter anderem auch auf dem kleinen Zeitfenster. Von der Projektidee bis zur Realisierung vergingen gerade einmal 10 Tage. Alle mit dem Projekt betrauten fanden lobende Worte für die Bürokratie, diese habe, trotz der inhaltlichen Neuartigkeit hervorragend unterstützt. „Wirklich neu erfunden hat Phoenix Contact das ja nun nicht. Es ist absolut vergleichbar mit einem Schülerpraktikum, dafür gibt es nicht nur in unserem Hause, sondern eben auch bei anderen Unternehmen, bereits vorgefertigte Strukturen. Lediglich die Ausgangssituation der Flüchtlinge ist eine andere, das ist auch Neuland für die Behörden, die wirklich sehr schnell reagiert haben.“
Die durch das Praktikum entstandenen Kosten sind kaum der Rede wert, auch hier absolute Vergleichbarkeit mit einem Schülerpraktikum. Olesch appellierte auch an die lippischen Handwerksbetriebe, hier ist eine „Mitarbeit“ im Unternehmen vermutlich noch einfacher möglich. Es gilt die vorhandenen Fachkräfte aus den Reihen der Flüchtlinge herauszufiltern und diese als Multiplikatoren einzusetzen. Dies in der Art, dass andere Flüchtlinge erkennen, dass sich eine Ausbildung und das schnelle Erlernen der deutschen Sprache auch auszahlen werden.
Unter den zehn Flüchtlingen, denen Phoenix Contact ein Praktikum ermöglicht hat, waren zum Beispiel ein IT-Fachmann (abgeschlossenes Studium) aus Sri Lanka, ein Jurist aus Afrika, aber auch ein Tanzlehrer, der in seiner Heimat Erfahrungen im Bauwesen hat sammeln können – in Summe ein ganz buntes Spektrum. Drei der zehn Praktikanten wohnten der Pressekonferenz bei.
Sivakumaran Rajeevtharan aus Sri Lanka hat bereits an einer Universität in seinem Heimatland ein Studium im Bereich IT abgeschlossen. Der 25-Jährige ist seit 2 Jahren in Deutschland, wohnt aktuell in Detmold im Asylheim und war aufgrund des Religionskonfliktes geflohen. „Wir sind nicht hergekommen, weil wir hier arbeiten wollen (meint damit den primären Grund das Kommens, selbstverständlich will er jetzt, wo er in Deutschland ist, sehr gerne arbeiten), sondern weil wir Angst um unser Leben hatten. Im Asylheim können wir nicht viel machen. Fernsehen eventuell. Es ist schade, dass wir hier noch nicht arbeiten dürfen. Wir haben Qualifikationen und würde das gerne tun. Ich versuche meine Deutschkenntnisse täglich zu verbessern, einen ersten Kurs habe ich bereits erfolgreich absolviert und verstehe die Sprache schon sehr gut. Nun werde ich den zweiten Teil machen. Ich will die Sprache unbedingt schnell lernen, ich lebe doch hier“, so Rajeevtharan, der im nächsten Jahr seine deutsche Freundin heiraten möchte und dem Gespräch in der Tat sichtlich sehr gut folgen konnte.
Ein weiterer Praktikant war Abdulgapurov Eldar aus Georgien. Der 38-Jährige lebt mit seiner Frau (31) und seinen drei Kindern (6,5 und 3 Jahre alt) ebenfalls in Detmold. Auch er nannte den Religionskonflikt als Grund für seine Flucht. Nach 1 Jahr und sieben Monaten hat er bislang noch keine Antwort auf seinen Asylantrag erhalten. Der Georgier hat bereits als eine Art „Ein-Euro-Jobber“ als Hausmeisterhilfe im Asylheim „gearbeitet“ und kleinere Aufgaben übernommen.
Aus familiärer Sicht weniger gut hat es bislang Hassani Alawak aus Syrien getroffen. Nachdem er für 1,5 Monate in der Türkei gewesen ist, konnte er vor zehn Monaten nach Deutschland kommen. Die Trennung von seiner übergangsweise in Istanbul lebenden Familie schmerzt sichtlich. „Der Krieg in meiner Heimat war der Grund für unsere Flucht. Meine Frau lebt mit meinen drei Kindern (13, 10 und 5 Jahre alt) in Istanbul, ebenso meine Eltern. Ich hoffe sie irgendwann nachholen zu können.“
Sivakumaran Rajeevtharan sprach für alle drei, als er äußerte: „Als wir von diesem Praktikum erfahren haben, waren wir natürlich zunächst unsicher. Das Unternehmen kannten wir nicht, es sollte sehr groß sein – 4.000 Mitarbeiter. Da wussten wir nicht, was auf uns zukommen sollte. Würden wir dort zurecht kommen? Was wir dann aber hier erfahren durften, war unglaublich. Nicht nur unsere direkten Ansprechpartner, Herr Wrede und Herr Glatzer waren sehr freundlich, gar nicht wie Lehrer sondern eher wie Freunde, sondern auch die anderen Arbeitskollegen. Auch wenn man hier über das Grundstück oder durch die Hallen geht, sieht man überall nur lächelnde Menschen, keine schaut böse. Wir wurden hier überall sehr gut behandelt und ich kan wirklich sagen, Phoenix ist kein Unternehmen, sondern eine Familie. Ich bin so dankbar für die gegebene Möglichkeit dieses Praktikums.“
Rajeevtharan ist sich dabei der hohen Sensibilität des Sicherheitsbereichs innerhalb des Unternehmens durchaus bewusst: „Hier gelten strenge Sicherheitsbestimmungen, dennoch durfte ich sogar in die riesige IT-Abteilung. Mir wurde hier echtes Vertrauen geschenkt. IT ist mein Traum und ich kann wirklich nur „Danke, Danke, Danke“ sagen. Die Emotionalität der drei Flüchtlinge in Worte zu fassen – man muss in die Gesichter sehen und wird ihnen echte Dankbarkeit entnehmen können. Dankbarkeit, von der auch die anwesenden Phoenix Mitarbeiter bewegt und gerührt worden sind.
Prof. Dr. Gunther Olesch bedankte sich folglich für die schönen und ehrlichen Komplimente der drei Flüchtlinge und wird sich stark machen: „Phoenix Contact würde nach erfolgter Budgetplanung 2016 einige Flüchtlinge über Netzwerk Lippe einstellen und auch erneut Praktika für Flüchtlinge anbieten.“ Unternehmen die Fragen zu diesem Pilotprojekt haben, finden in der IHK einen Ansprechpartner, aber auch das Blomberger Unternehmen hat seine Bereitschaft signalisiert gerne Rede und Antwort zu stehen.
Olesch abschließend: „Alleine können wir als Phoenix Contact das nicht stemmen. Wir brauchen nun weitere Firmen, die unserem Beispiel folgen und dabei helfen, die Flüchtlinge zu integrieren. Mit unseren ersten gemachten Erfahrungen, die wir gerne teilen, wird es in einem zweiten Durchgang schon bedeutend einfacher werden.“
Die zu beteiligenden Behörden werden langsam in diesen Prozess hineinreifen und im Umgang mit dieser Situation immer sicherer werden. Eine wirkliche Barriere zur ersten Integration von Flüchtlingen in die Arbeitswelt durch ein Praktikum gibt es schon jetzt nicht mehr. Flüchtlinge durch die Arbeit in die Gesellschaft zu integrieren – viel sinnvoller geht es doch eigentlich nicht, oder?
Projektbilder wurden seitens Phoenix Contact zur Verfügung gestellt.
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