VerbraucherzentralePatientinnen und Patienten fühlen sich schlecht aufgeklärt und zum Kauf von Zusatzleistungen von Ärzten unter Druck gesetzt – so lautet die Bilanz des Beschwerdeforums igel-ärger.de nach einem Jahr. Mit rund 1.500 Beschwerden ist das Portal der Verbraucherzentralen ein gefragtes Forum für Patienten, die dort ihre Erfahrungen mit kostenpflichtigen Extras nach dem Arztbesuch eintragen können.

„Die individuellen Erfahrungen liefern uns einen bislang schwer zugänglichen Einblick und einen wesentlichen Beitrag zur Diskussion über die Qualität der Angebote des ‚Zweiten Gesundheitsmarktes‘“, zieht Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesverbraucherministerium, eine erste Bilanz. Glaukom-Untersuchung gegen Bezahlung, Hautkrebs-Früherkennung mit teurem Dermatoskop-Einsatz und zusätzliche Krebsvorsorge beim Frauenarzt mit kostenpflichtigem Ultraschall – diese Einträge stehen in der Liste der Beschwerden im Internetforum www.igel-ärger.de an erster Stelle. „In der Regel unterliegen die Angebote keiner Qualitätskontrolle oder Unbedenklichkeitsprüfung, bevor sie auf den Markt und an den Patienten gelangen – der Nutzen der Leistungen ist häufig umstritten. Es ist daher wichtig, dass sich Verbraucherinnen und Verbraucher unabhängig informieren können.“

„Die Einträge im Beschwerdeforum zeigen deutlich, dass die Regeln des Patientenrechtegesetzes in der Praxis vielfach nicht eingehalten werden“, erklärt NRW-Verbraucherzentralenvorstand Wolfgang Schuldzinski. Neun von zehn Patienten schilderten im Forum, dass sie sich zu einem Ja für eine Individuelle Gesundheitsleistung – kurz IGeL – gedrängt fühlten. Ein Drittel der Eintragenden gab an, dass eine Behandlung nur nach Zustimmung zu einer IGeL erfolgte. Fast 40 Prozent beklagten, dass sie trotz fehlender schriftlicher Einwilligung nach der Behandlung zur Kasse gebeten wurden. In mehr als jeder zweiten Beschwerde wurde die mangelhafte Aufklärung über die kostenlosen Behandlungsalternativen der Krankenkassen kritisiert. Besonders brisant: Jeder fünfte Patient sollte bereits im Vorzimmer seine Zustimmung oder Ablehnung einer IGeL-Leistung auf einem Formular ankreuzen und unterschreiben.

„Die Verwendung solcher Verzichtserklärungen sind lediglich ein psychologisches Druckinstrument, das jeglicher rechtlichen Grundlage entbehrt. Solche Formulare sind unsinnig und gehören aus der Arztpraxis verbannt“, erklärt Schuldzinski. Unterm Strich augenfällig: Augen- und Frauenärzte schneiden in der Beurteilung von Patientinnen und Patienten besonders schlecht ab. Nachweisliche Verstöße aufgrund von Forumsbeschwerden hat die Verbraucherzentrale NRW bereits erfolgreich abgemahnt. „Nun gilt es, die Patientenrechte zu stärken und die Ergebnisse für eine Verbesserung der Geschäftsbeziehungen von Patienten und Ärzten auf dem Gesundheitsmarkt zu nutzen.“

Zusatzleistungen: Patienten und Ärzte müssen sich auf Augenhöhe begegnen

Von Augeninnendruckmessung über Krebsvorsorge Plus bis hin zur professionellen Zahnreinigung bieten Ärzte in ihren Praxen zahlreiche Individuelle Gesundheitsleistungen an, die Patienten eine moderne und optimale Versorgung versprechen, jedoch mit teilweise umstrittenem medizinischen Nutzen. Diese Extras werden daher nur in begründeten Fällen von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Ärzte können frei entscheiden, welche medizinischen Zusatzbehandlungen sie neben den Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung anbieten und wie oft sie diese Extras gegen ein Honorar offerieren. Patienten werden auf dem Gesundheitsmarkt so zu Kunden, denen Ärzte Leistungen verkaufen.

„Wesentlich für Einhaltung des Verbraucherschutzes ist, dass sich Patienten und Ärzte auch bei einer medizinischen Geschäftsbeziehung auf Augenhöhe begegnen“, erklärt Staatssekretär Billen. Das Patientenrechtegesetz gibt hierzu eindeutige Regeln vor: Medizinerinnen und Mediziner sind verpflichtet, Patienten in einem persönlichen Gespräch über Nutzen und Risiken einer Komfortbehandlung aufzuklären und die Kosten schriftlich aufzulisten. Außerdem muss die Zusatzleistung vor Behandlungsbeginn vertraglich vereinbart und nach Abschluss mit den Patienten auf Grundlage der ärztlichen Gebührenordnung abgerechnet werden.

Pressemeldung Verbraucherzentrale NRW


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