Bild und Bildquelle: Hannes Sonntag.

Bild und Bildquelle: Hannes Sonntag.

Der Pianist und Autor Hannes Sonntag pendelt zwischen seinen Wohnorten Münster und Blomberg. Der Literaturverlag jedoch, der Sonntags Werke publiziert, ist in der Nelkenstadt beheimatet. In Kürze wird Sonntags drittes Buch erscheinen, der Roman ‚Jaspers Fluchten‘. Mit Blomberg und Lippe fühlt Sonntag sich verbunden. Kulturelle Aktivitäten wie zum Beispiel die Schlosskonzerte in Schieder, die er initiiert hat und deren Künstlerischer Leiter er ist, sind überregional bekannt.

Hannes Sonntag gilt als Meister eines poetischen Klavierstils und debütierte bereits vierzehnjährig mit Mozarts Klavierkonzert C-Dur KV 467. Noch während seines Klavierstudiums wurde Hannes Sonntag als Stipendiat Meisterschüler von Stefan Askenase. Dieser große Pianist war ihm über mehr als ein Jahrzehnt Mentor und Freund. Bleibende Bedeutung gewann auch die persönliche Begegnung mit Arthur Rubinstein. Sonntag konzertiere in europäischen Ländern, Russland, Nahost und Israel. Seine CDs stießen bei der internationalen Presse auf einhellige Begeisterung.

Unsere Redaktion durfte dem Künstler einige Fragen stellen.

 

Wie sind Sie zur Musik gekommen?
Ganz natürlich und zugleich ein bisschen lustig. Meine beiden Eltern waren Künstler. Mein Vater – an den ich, obgleich er zu früh starb, die wunderbarsten Erinnerungen habe – war ein bekannter Maler und Graphiker. Meine ersten Kindheitsjahre verbrachte ich leidenschaftlich malend in seinem Atelier, sozusagen unter dem stetigen Rauch seiner Zigarre. Später hat mein Vater dann den Weg in die Musik selbstlos unterstützt, erstaunt darüber, dass ich offensichtlich nicht in seine Fußstapfen trat.
Meine Mutter war Geigerin, hatte in Dresden und Wien studiert. Aber wie das damals so war: sie hat ihre Karriere der meines Vaters untergeordnet. Und zu dieser Zeit hatte sie ihre Geige vorübergehend ganz zur Seite gelegt. Was passierte? Bei Kinderfreunden hörte ich die Schlager der Zeit auf den kleinen 45iger Schallplatten. Offensichtlich war ich begeistert, denn ich sang sie laut nach. Das aber entsetzte meine Mutter – sie fühlte mich sozusagen gleich als Knirps musikalisch entgleisen. Also wurde eine Klavierlehrerin für mich engagiert. Ich machte außerordentlich schnelle Fortschritte und, na ja, das war der allererste Anfang, damals war ich sechs Jahre alt.

 

Wieviele Konzerte spielen Sie im Jahr und wo?
Darauf kann ich nur etwas komplexer antworten. Vielleicht vorweg: ich habe – von meinem 14. Lebensjahr an – ganz überwiegend in europäischen Ländern konzertiert, aber auch etwa in Nahost und Israel. Während der Neunziger des vorigen Jahrhunderts war ich z.B. regelmäßig in Russland und habe dort neben Konzerten auch Meisterklassen gegeben und bin von Rundfunk und Fernsehen porträtiert worden.

Aber – Sie wissen es schon – ich habe neben der musikalischen auch eine mir gleichermaßen wichtige literarische Begabung. Will sagen, ich schreibe: Lyrik, Erzählungen, Romane. Und zwar nicht erst in neuerer Zeit, sondern bereits seit Jahrzehnten. Wie ich gern sage: Die Musik ist eine eifersüchtige Geliebte, d.h. in der Vergangenheit stand mir nicht der zeitliche Rahmen zur Verfügung, um beide Facetten gleichzeitig in die Öffentlichkeit zu tragen.

 

Und das ging auf Kosten meiner Literatur.
Seit gut drei Jahren hat sich diese Situation grundlegend geändert – und ich bin sehr glücklich darüber. Meine ersten beiden Bände, der Erzählband ‚Klavier-Wanka‘ und der Roman ‚Augen‘ erschienen, und seitdem bevorzuge ich ein ganz neues Format des Auftretens, das ich ‚DOPPEL-TON‘ nenne. Ich lese aus meinen eigenen Werken, interpretiere Klaviermusik und moderiere beides – eine hervorragende Kombination, wie sich immer mehr zeigt. Aber sie fordert ein Höchstmaß an Konzentration und Präsenz.

 

Wo publizieren Sie Ihre Bücher?
Schauen Sie, jetzt endlich kann ich von Blomberg sprechen. ‚Literatur der Zukunft‘ heißt der noch junge ambitionierte Literaturverlag, dessen Sitz in Blomberg ist. Um die Kulturwissenschaftlerin Bettina Nolting herum hat sich eine Crew von hoch engagierten freien Mitarbeitern gebildet: vom Lektorat und dem Typografen bis hin zu den verschiedenen Bildenden Künstlern, Fotografen und Illustratoren.
Was ist Ihnen lieber? Das „Privatkonzert“ oder die Massenveranstaltung?
Das spitzen Sie sehr klug etwas zu…. Im Klassik-Geschehen gibt es ja die sogenannte „Massenveranstaltung“ eigentlich nicht – wenn man mal von ganz wenigen Ausnahmen mit mehr populärem, medial geprägtem Charakter absieht. Und die „Privatheit“ eines Kammerkonzertes bedeutet ja nicht, dass der Veranstaltungsrahmen selbst privat ist. Aber für mich ist es gar keine Frage: die Intensität der künstlerischen und menschlichen Begegnung mit dem Publikum ist in kleineren Sälen viel intensiver. In meiner Rolle als Künstlerischer Leiter der ‚Schlosskonzerte Schieder‘ erlebe ich das immer wieder.

Das ist einer der Gründe, warum die Schlosskonzerte inzwischen weit über die Region hinaus bekannt und beliebt sind. Máté Szücs, der 1. Solobratschist der Berliner Philharmoniker, rief kürzlich beim Betreten des Fürstensaals aus: „So ein intimer Saal – da muss ich besonders gut sein!“

 

In nächster Zeit kann man Sie in der Region wo hören?
Da muss ich leider im Moment passen. Eben war ich mit ‚DOPPEL-TON‘-Veranstaltungen in der Schweiz – und habe dort ein großartiges, gerade literarisch unglaublich sensitives Publikum erlebt. In Kürze bin ich in Moskau, später dann mit Vorträgen in Spanien und den USA. Aber es ist ganz sicher, dass es im Herbst dieses Jahres auch die eine oder andere Veranstaltung im näheren Raum geben wird. Denn in allernächster Zeit erscheint mein drittes Buch, der Roman ‚Jaspers Fluchten‘ – und natürlich
werde ich ihn, musikalisch eingebettet, promoten.

 

Welches war in Ihrem Leben der bewegendste Moment?
Eine wunderbare, aber schwierige Frage! Natürlich gibt es in einem Leben, besonders dem eines Künstlers, viele bewegende Momente. Bewegend ist es immer, wenn dieser osmotische Austausch mit dem Hörer stattfindet, das Gefühl, etwas mit dem andern zu teilen, das Gefühl, dass die Welt dann vielleicht doch ein wenig besser ist, als man dachte. Und selbstredend gibt es auch private Glücksmomente. Aber wenn‘s denn sein soll, an dieser Stelle doch wenigstens eine konkrete Antwort: die so warmherzige Art der menschlichen Aufnahme, die ich in Russland nach der Wende erfuhr: alle hatten doch Opfer in ihren Familien, gerade die vielen jüdischen Freunde und Kollegen.

 

Ein Traum für Viele: Von der Musik leben. Gab es schwierige Zeiten?
Lassen Sie mich stellvertretend mit einem weisen Satz meines berühmten Lehrers und Mentors Stefan Askenase antworten: „Musik und Kunst sollte man nur dann zum Beruf machen, wenn die Lust dazu so groß ist, dass man ihr nicht widerstehen kann.“ Im Zweifelsfall bedeutet das, sich von etwaigen materiellen Durststrecken nicht bremsen zu lassen.

 

Sie spielen nur Klassik?
Ja. Und vielleicht sollte ich hinzufügen ‚leider‘. Allerdings kann ich improvisieren, was heute eher selten ist. Möglicherweise werde ich irgendwann wagen, es auch öffentlich zu tun. Es gibt Personen, die meinen, ich sollte….

 

Privat hören Sie was?
Generell insgesamt wenig: ich mache ja selber Musik und sitze, wenn ich Zeit habe, in den Konzerten meiner Kollegen. Sonst doch am ehesten klassische, vor allem historische Aufnahmen. Aber Gott sei Dank wächst man und verändert sich permanent. Unter fachkundiger Anleitung beginne ich gute (und die gibt‘s wirklich) Rock-Musik zu hören. Stellvertretend hier zwei Namen: Jeff Buckley oder, aktuell, Wilco.

 

Was halten Sie von Casting-Shows?
Gar nichts.

 

Welchen Tipp haben Sie für die Stars von morgen?
Gefallenwollen und Egotrips sind der Untergang. Das rein Mechanische ist ohne eigenen Wert. Folgt eurer Intuition, eurer eigenen inneren Stimme. Nur so habt ihr die Chance, irgendwann wahrgenommen zu werden.


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