Die Zahl der Stromsperren ist nach wie vor hoch, die Energiearmut groß. Höchst unterschiedlich handhaben die Energieunternehmen jedoch die Hilfen für säumige Zahler, um ein Kappen der Stromversorgung noch abzuwenden. Außerdem schöpfen nicht alle das zur Verfügung stehende Repertoire konsequent und kundenorientiert aus. Zu diesem Schluss kommt die Verbraucherzentrale NRW nach einer Umfrage unter allen 106 Grundversorgern im Land, an der sich 79 Unternehmen beteiligt haben. So werden Abschlagsanpassungen zumeist nur auf Nachfrage oder monatliche Abrechnungen gegen teils erhebliche Gebühren angeboten. Ratenzahlungen gewähren viele Energieversorger außerdem nur unter eng gefassten Bedingungen – und die damit häufig verbundenen Zusatzkosten lassen die Verbindlichkeiten der Energieschuldner noch weiter in die Höhe schnellen.
Die NRW-Versorger gaben in der Umfrage an, 2013 zusammengerechnet mehr als 92.000 Strom- und Gassperren verhängt zu haben. „Die wahre Dimension des Problems Energiearmut lässt sich aber gar nicht allein an den Sperren ablesen“, betont Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW, „auch Androhungen und Ankündigungen von Sperren sind in vielen Fällen schon Zeichen für ernste finanzielle Engpässe.“ Die aktuelle Umfrage – eine Neuauflage einer schon 2010 durchgeführten Erhebung – ergab, dass den 92.000 Energiesperren deutlich mehr als 2 Millionen Androhungen und knapp 400.000 unmittelbare Ankündigungen einer Sperre vorangingen. Anders als noch 2010 zeigen sich Versorger durchaus stärker sensibilisiert für diese Alarmzeichen bei Zahlungsnöten. So bieten inzwischen 40 Prozent der antwortenden Unternehmen nicht nur auf besonderen Wunsch des Kunden, sondern routinemäßig von sich aus Ratenzahlungen an, um Energieschulden zu tilgen. 2010 taten das gerade einmal 15 Prozent. Allerdings: In reale Abzahlungen mündeten die Angebote nicht. Nach wie vor wurden nur mit etwa 2,6 Prozent der Privatkunden tatsächlich auch Ratenzahlungen vereinbart.
Ein Grund dafür sind die Bedingungen, unter denen sich Versorger auf Ratenmodelle einlassen. So gewährt zum Beispiel rund ein Drittel (23) Ratenzahlungen ausnahmslos auf die Endabrechnung und nie auf Abschläge. Auch Kunden, deren Strom oder Gas bereits gesperrt ist, haben bei 37 der 79 Versorger keine Chance, ihre Schulden abzustottern. Ein weiteres Problem sind zusätzliche Gebühren und Verzugszinsen. Die Höhe der Bearbeitungsgebühr für Ratenvereinbarungen etwa variierte in der Umfrage von 5 bis 50 Euro. Nur 36 Prozent gaben an, ganz auf solche Zinsen und Gebühren zu verzichten. Genau das ist aber ein wünschenswertes Vorbildmodell: „Denn je mehr Lasten einem Verbraucher in Zahlungsschwierigkeiten aufgebürdet werden, desto tiefer gerät er in einen Schuldensog, aus dem er sich nicht mehr befreien kann. Auch die Stromrechnung wird er so nie begleichen können.“
Teuer bezahlen muss ein Stromkunde allerdings auch, wenn er nicht nur einmal im Jahr eine Abrechnung möchte, sondern zum Beispiel monatlich. Dies ist nach Erfahrungen der Verbraucherzentrale NRW ein gutes Mittel für einkommensarme Haushalte, um Kosten im Blick zu behalten und Nachzahlungen zu vermeiden. Doch schon solch ein vorausschauendes Finanzmanagement lassen sich manche Versorger extra vergüten: mit bis zu 35 Euro pro zusätzlicher Rechnung. „Bei monatlicher Abrechnung ergibt das absurde 385 Euro pro Jahr, so dass dieses eigentlich sinnvolle Instrument zum Abwenden von Zahlungsschwierigkeiten ein rein theoretisches bleibt“, rechnet Schuldzinski vor.
Als einen Schritt in die richtige Richtung bewertet die Verbraucherzentrale NRW, dass immer mehr Versorger ihren säumigen Kunden die Unterstützungsangebote bei Sozial-, Budget- und Schuldnerberatungen empfehlen. Waren es 2010 gerade einmal 20 Versorger, raten inzwischen 53 zu deren Besuch. Jedes vierte Unternehmen geht mit diesen sogar Kooperationen ein (2010: nur jedes zehnte). Ein Beispiel für einen solchen Schulterschluss, der auch eine Energiesparberatung umfasst, ist das landesgeförderte Modellprojekt „NRW bekämpft Energiearmut“, das die Verbraucherzentrale NRW mit Grundversorgern an acht Standorten und der Caritas in NRW durchführt. Mehr als 1650 Verbraucher nahmen die Rechts- und Budgetberatung seit Projektstart im Oktober 2012 in Anspruch. Drohende Stromsperren konnten dabei in 81 Prozent der Fälle verhindert werden.
Einen Kurzbericht mit zentralen Ergebnissen der Umfrage gibt es unter www.vz-nrw.de/energiesperren2013
Die Zweijahresbilanz des Modellprojekts „NRW bekämpft Energiearmut“ ist nachzulesen unter
www.vz-nrw.de/projektergebnisse-energiearmut
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