Der Duft von frischem Lebkuchengebäck liegt in der Luft, rote Winternasen begrüßen uns im Spiegel, würziger Glühwein wärmt die frierenden Hände und selbstgebackene Plätzchen versüßen uns den Winterabend – endlich, Weihnachten steht vor der Tür.
Das Weihnachtsfest ist für uns Deutsche eines der wichtigsten Feste des Jahres: Wir dekorieren unsere Wohnungen mit Tannenzweigen, stellen den Tannenbaum auf, schmücken ihn mit Lichterketten und Christbaumkugeln. Ein Adventskranz auf dem Tisch, Gottesdienste, Krippenspiel, Geschenke unter dem Weihnachtsbaum – alles Dinge, die für uns das Weihnachtsfest bedeuten. Doch was für uns alljährliche Tradition ist, ist für andere unbekanntes Terrain – so auch für Elisabeth II, William, Kate und Baby George. Denn das britische Königshaus feiert, genau wie 53.493.729 (2012) andere Engländer, Weihnachten so ganz anders wie wir – gut, nicht so ganz anders, aber… anders.
24. Dezember, Heiligabend
Der 24. Dezember ist in England, genauso wie in Deutschland, ein halber Arbeitstag: Last-Minute-Geschenke können also besorgt und fehlende Einkäufe für das anstehende Weihnachtsessen erledigt werden, denn auch die Supermärkte haben an diesem Tag für einige Stunden geöffnet.
Während die Dämmerung langsam den Heiligen Abend ankündigt, starten in England die ersten Gottesdienste, die dabei mit unseren in Deutschland zu vergleichen sind.
25. Dezember, 1. Weihnachtsfeiertag
Traditionell werden am frühen Morgen des 25. Dezembers die Weihnachtsgeschenke ausgepackt, die Father Christmas nachts zuvor verteilt hat – er ist also sozusagen der englische Weihnachtsmann, der in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember mit seinem Rentierschlitten die schlafenden Häuser besucht, durch die Kamine der Häuser rutscht und seine Geschenke meist in den am Kaminsims aufgehängten Weihnachtsstrümpfen hinterlässt. Damit Father Christmas die Zuordnung der Geschenke dabei leichter fällt, sind die relativ langen und weihnachtlich verzierten Weihnachtsstrümpfe, stockings genannt, oft mit Namen des Besitzers versehen – und um ihm nach getaner „Arbeit“ mit einer kleinen Auszeit zu belohnen, stehen nicht selten ein Glas Milch und Kekse für ihn und seine Rentiere bereit.
An so einem besonderen Tag wie dem 1. Weihnachtsfeiertag darf ein aufwendiges Weihnachtsessen, bei dem zum Spaß aller Pappkronen aus Christmas Crackers (Knallbonbons) getragen werden, natürlich nicht fehlen. Das Weihnachtsessen wird bereits am 24. Dezember vorbereitet und besteht traditionell aus einer Vor-, Haupt- und einer Nachspeise. Als Vorspeise genießen die Engländer dabei am liebsten geräucherten Fisch, Sausage Rolls (Blätterteigrollen mit Wurstfüllung) oder Mince Pies (mit einer Fruchtmischung gefüllte Gebäckstückchen). Die beliebteste Hauptspeise ist ein Roast Turkey (Truthahn) oder Roast Chicken (Brathähnchen) – diese werden entweder mit Backpflaumen und Äpfeln, Hackmasse und Brot oder Nüssen und Gemüse gefüllt. Dazu gibt es Roast Potatoes (gebackene Kartoffeln), eine Auswahl an gekochtem Gemüse (z. B. Steckrüben, Brokkoli, Erbsen, Blumenkohl, Karotten) und Gravy (Bratensauce). Als Nachspeise folgt zumeist der traditionelle Christmas Pudding, auch Plumpudding genannt: Der gedämpfte Pudding, der unter anderem aus Nüssen, Dörrobst (z. B. Rosinen) und Rindernierenfett besteht, wird mit Custard (aus Zucker, Milch und Eigelb hergestellte Creme) oder Brandy Butter (aufgeschlagene Butter, vermischt mit braunem Zucker oder Puderzucker und Brandy) serviert. Eine weitere beliebte Nachspeise ist der sogenannte Trifle: Hierbei handelt es sich um eine typische englische Süßspeise, die aus mehreren Schichten Custard, Schlagsahne, Obst oder Marmelade und Biskuit, der häufig in Alkohol (z. B. Sherry oder Portwein) getränkt wird, besteht. Und, als sei dieses Festmahl nicht schon reichhaltig genug, versüßen sich die Engländer die Weihnachtszeit natürlich noch mit weiteren Leckereien – Christmas Cake (Früchtebrot), Eierpunsch, Quality Street (eine Mischung einzeln verpackter Bonbons, die alle auf Schokolade oder Toffee basieren), Shortbread (schottisches süßes Mürbeteiggebäck) oder Christmas Fudge (Karamellkonfekt), um nur ein paar dieser Leckerbissen zu nennen.
Beendet werden muss das umfangreiche Genießen pünktlich um 15 Uhr – und die Betonung liegt dabei wirklich auf dem „muss“, denn um 15 Uhr findet die alljährliche Weihnachtsansprache der Queen an den Commonwealth statt und diese ist für die Engländer eben ein Muss. Mittlerweile wird die Ansprache sogar offiziell in YouTube online gestellt.
26. Dezember, 2. Weihnachtsfeiertag
26. Dezember, der sogenannte Boxing Day: An diesem Tag besuchen englische Familien traditionell ihre Freunde und Bekannte, es werden Geschenke ausgetauscht, über das vergangene Weihnachtsfest geplaudert und die Reste des Weihnachtsessens verzehrt, die am 2. Weihnachtsfeiertag häufig mit einem kalten Salat genossen werden. Aber auch handwerkliche Arbeiten werden am 26. Dezember gerne verrichtet, denn seit Jahren haben die Baummärkte an diesem Tag bereits wieder geöffnet und starten mit dem Winterschlussverkauf.
Weihnachtsbräuche
Einer der wohl bekanntesten englischen Weihnachtsbräuche hat mit den sogenannten mistletoes zutun: Oft werden Mistelzweige über Türen gehangen, begenen sich an dieser Stelle zwei Menschen, dürfen sie sich küssen – Misteln sind dabei ein Zeichen von Frieden und Versöhnung. Herrlich romantisch und passend für die besinnliche Weihnachtszeit.
Der wohl schönste Weihnachtsbrauch ist das traditionelle Weihnachtssingen der Kinder in England. Diese ziehen dabei von Haus zu Haus und singen dabei alte Weihnachtslieder, die Christmas Carols. Auf diese Weise wird noch heute an die Zeit erinnert, als Kinder aus ärmeren Verhältnissen zur Weihnachtszeit bei Reichen sangen, um milde Gaben zu erbitten.
Eine üppige Weihnachtsdekoration mit Girlanden, Lametta, Glitter und Papierschlangen ist in England keine Seltenheit und kann daher schon als ein typischer Weihnachtsbrauch betrachtet werden – alles ist bunt, leuchtend und irgendwie schriller als bei uns in Deutschland. Auch die Post zur Weihnachtszeit nimmt in England eine ganz besondere und wichtige Stellung ein: Alljährlich werden mehr als eine Billionen Weihnachtskarten verschickt, wobei meine Familie sich mit etwa 80 Stück jedes Jahr beteiligt… 🙂 Die Auswahl an unterschiedlichen Kartenmotiven ist dabei fast schon überwältigend: von lustig über romantisch bis hin zu wunderschön-traditionellen Weihnachtsmotiven – hier findet wirklich jeder das passende für seinen Geschmack. Die eigenen Weihnachtskarten, die man von Freunden und Verwandten zumeist aus aller Welt erhält, werden anschließend an langen Schnüren im Zimmer aufgehangen oder auf dem Kaminsims präsentiert.
Eine Sache, die man in jedem Fall bestaunen sollte, ist man während der Weihnachtszeit in England, ist das städtische Weihnachtsdekor: Die Straßen der Städte glitzern im Licht der leuchtenden Lichterketten, Kunstschnee fällt von den Dächern der Einkaufshäuser und von überall her erklingen Weihnachtslieder, die zum Mitsingen animieren – eine unvergleichliche Weihnachtsatmosphäre. Die prächtigsten und beeindruckendsten Straßen sind dabei die Oxford Street und die Regent’s Street in London als absoulutes Highlight. (Vielen Dank an Lisa für den tollen Text und die Bilder)