Erst die Ware, dann das Geld – der Kauf auf Rechnung ist eine der beliebtesten Zahlarten beim Onlineshopping. Doch für Kunden wird er zunehmend zum Ärgernis. Der Grund: Viele Händler beauftragen externe Dienstleister mit Bonitätsprüfung und Rechnungsabwicklung. Das führt oftmals zu Verwirrung, Absurditäten und Kosten, wie eine Stichprobe der Verbraucherzentrale NRW bei 30 Shops und sechs Zahlungsabwicklern zeigt. Der Kauf auf Rechnung ist Verbrauchers Liebling: sicher, einfach und bequem. Sich Mode und Technik liefern lassen, die Ware in Ruhe prüfen – bei Gefallen bezahlen oder retournieren. Alles was es neben einer guten Bonität braucht, ist, dass Käufer mindestens 18 Jahre alt (Ausnahme Zalando, dieser Shop akzeptiert 14-Jährige) sowie Liefer- und Rechnungsadresse identisch sind. Beim Shopping-Schwergewicht Otto ist die Zahlart sogar automatisch voreingestellt.
Doch aus Liebe wird zunehmend Hass. Beschwerden bei der Verbraucherzentrale NRW sowie zahlreiche Berichte in Internetforen zeugen davon: „bekomme Mahnung über bezahlte Rechnung“, „habe einen Teil der Ware retourniert und erhalte statt neuer Rechnung gleich eine Mahnung“. Andere bemängeln „exorbitant hohe Mahngebühren“. In die Kritik geraten dabei sogenannte Payment-Dienstleister. Jeder dritte Shop hat mittlerweile mit ihnen angebandelt. Die Händler bleiben weiterhin zuständig für Versand und Retouren, Reklamationen und Gewährleistung. Die Payment-Firmen übernehmen die Bonitätsprüfung der Kunden, wickeln die Zahlung und das Mahnwesen ab. Mehr als ein Dutzend-Firmen sind auf dem Markt. Und jeder Helfer hat eigene Geschäftsbedingungen. Die Fülle der Regeln macht den Rechnungskauf zum Abenteuer, bei dem immer mehr Kunden die Übersicht verlieren – und Euros. Verantwortlich dafür sind auch die Shops: wenn sie nur karge Informationen über die eingeschalteten Zahlungsabwickler geben, wenn Fristen nicht präzise benannt, wenn teils satte Kosten auf Kunden abgewälzt werden.
All das zeigte ein Besuch der Verbraucherzentrale NRW in 30 Onlineshops, die Bonitätsprüfung und Zahlungsabwicklung ausgelagert haben. Im Fokus waren obendrein die Regularien von sechs Payment-Anbietern, darunter Branchenprimus Klarna, Billpay, Billsafe, Payolution, Ratepay und PayPal Plus. Die Unterschiede von Dienstleister zu Dienstleister waren erheblich, etwa bei den Zahlungsfristen. Während Klarna die in der Regel mit 14 Tagen vorgab, waren sie beim Gros der Konkurrenz „mit dem Händler abgestimmt“ (Ratepay). Von Shop zu Shop führte das zu Vorgaben von „anschließend“ oder „sofort“ über sieben bis zu 30 Tagen. Noch verwirrender: Mal sollte die Frist „nach Erhalt der Ware“ beginnen, in anderen Shops schon „nach Versand“. „Ab Rechnungsdatum“ hieß es wiederum bei den besuchten Klarna-Shops.
Auf unterschiedlichen Wegen kam dabei die Rechnung selbst. Möglich waren E-Mail, Post oder zusammen mit der Ware. Je nach Verschickungsart liegen in der Regel mehrere Tage dazwischen. Zu Problemen kann das führen, wenn sich nach einer Bestellung die Lieferung verzögert oder wenn ein Teil der Bestellung retourniert wird. Beispiel Klarna. Als Kostenfalle entpuppte sich hier das Händler-Versprechen „erst die Ware, dann wird bezahlt“. Schließlich sollte auch bei verspäteter Ware eine Rechnung („direkt von Klarna“) eintrudeln. Wer darauf nicht reagierte, erhielt – selbst ohne Ware – eine kostenpflichtige Mahnung.
Verhindern ließ sich das nur über Kontakt zum Händler sowie über das Kundenkonto beim Payment-Dienstleister. Nur dort nämlich ermöglichte der Anbieter, die Zahlungsfrist einmalig um zehn Tage zu verlängern. Ärger drohte auch bei Retouren. Bis zu „14 Werktage (ohne Wochenenden und Feiertage)“ könne es bis zur Verbuchung einer Rücksendung dauern, warnten Händler. Deshalb empfehle es sich auf jeden Fall, die Zahlungsfrist zu verlängern – oder zu bezahlen. Später lasse sich bei Klarna ein „Erstattungs-Formular“ ausfüllen. So wird der Rechnungskauf aus Verbrauchersicht ad absurdum geführt: für Waren zahlen, die man definitiv nicht behalten will.
Bei solch kruden Vorgaben waren Rechnungskäufer je nach Shop heftig gefordert. Während vier Payment-Unternehmen kurz vor oder nach Fristablauf noch einmal kostenfreie Zahlungserinnerungen rausschickten, war das bei Billsafe und Klarna nicht vorgesehen. Hier schlug der Mahnkosten-Hammer direkt zu. PayPal Plus kassierte 4,70 Euro nach elftägigem Zahlungsverzug. Bei Billsafe war man „am ersten Tag des Verzugs“ mit 3,70 Euro dabei, am siebten Tag noch einmal mit 3,95 Euro. Bei Klarna konnte es noch teurer kommen.
Wie teuer, mochte der Branchenprimus der Verbraucherzentrale allerdings partout nicht offenbaren. Mehrfache Anfragen bei der Pressestelle in Köln wurden nicht beantwortet – versprochene Rückrufe blieben aus. Was vom Unternehmen nicht zu erfahren war, machte jedoch ein Klarna-Händler auf seiner Seite öffentlich: gestaffelte Mahnkosten je nach Höhe des Rechnungsbetrags. Dabei waren für die erste Mahnung zwischen fünf und 17 Euro, für eine zweite Zahlungsaufforderung weitere sieben bis 20 Euro fällig. Danach drohte Inkasso. Transparenz bei den Mahnkosten ließen auch Payolution, Ratepay („Geschäftsgeheimnis“) und Billpay („im üblichen Rahmen“) vermissen. Verständlich da, dass Zweifel aufkommen, ob jede Forderung berechtigt ist. Hilfe bei der Prüfung von fraglichen Mahn-Posten bietet die Verbraucherzentrale NRW in ihren Beratungsstellen.
Unterschiede machten Payment-Unternehmen zudem bei Datenweitergabe und Bonitätsprüfung. So sollten Onlineshopper dieser Prozedur ausdrücklich per Häkchen zustimmen oder ihr Einverständnis wurde schlicht vorausgesetzt: etwa mit Akzeptanz der AGB des Händlers oder mit der Auswahl der Zahlart Rechnungskauf.
Wichtig zu wissen: Die meisten Shops (21) übernahmen die Kosten für Klarna, Billsafe & Co.. Jeder dritte aber reichte zumindest einen Teil davon an seine Kunden weiter. Mal waren das zwei Euro, mal waren das satte fünf Prozent „vom Rechnungspreis“. Einnehmend zeigte sich hier vor allem das Gros der Billpay-Partner. Besonders akribisch taxierte ein Klarna-Shop für Wohnträume seine „Gebühren“: mit 2,27325 Euro. Zwei Drittel der Shops in der Stichprobe schränkten den Kauf auf Rechnung ein – teils drastisch. Die Grenze lag mal zwischen 20 und 200 Euro, mal zwischen 79,90 und 5500 Euro. Bei mehreren Shops war nach einigen Hundert Euro Einkaufswert Schluss mit dem Rechnungskauf.
Nicht zu toppen in punkto Wirrwarr im Check war ein Windelshop. Hier konnten Rechnungs-Kunden gleich aus drei Varianten wählen. Dafür mussten sie sich durch die jeweiligen Bedingungen kämpfen. Denn jeder Rechnungskauf-Anbieter hatte andere Zahlungsfristen, Einkaufslimits und Kosten.
Da kann es nicht wirklich verwundern, dass mittlerweile erste Kritik auch aus dem Händlerlager kommt. „Aus persönlicher Erfahrung“ warnte etwa ein offenbar enttäuschter Nutzer eines Bewertungsportals vor den Inkassohelfern: „Sie vergraulen dir die Kunden.“