Via Smartphone oder Tablet shoppen, Handy-Verträge online abschließen oder im Netz einen Kredit aufnehmen: Wenn Geschäfte im Internet ablaufen, wird die Bewertung der Kreditwürdigkeit des Kunden zur zweiten Währung. Bonitätsabfragen bei Auskunfteien werden jedoch nicht nur bei Zahlungsarten gestartet, die für den Verkäufer Risiken bergen, sondern manchmal schon beim bloßen Aufruf von Internetseiten. „Scoring, also die Ermittlung der Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommt, läuft sogar selbst dann, wenn Verbraucher ohne Zahlungsrisiko für den Unternehmer ein Duschgel im Internet bestellen oder mit Kreditkarte bezahlen“, kritisiert Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW, massenhafte Bonitätsabfragen ohne Not. Zum Fallstrick werden die, wenn falsche Daten gespeichert sind – und Verbraucher davon erst erfahren, weil ihnen Verträge verwehrt oder zu schlechteren Konditionen angeboten werden. Misslich: Zwar können Verbraucher eine kostenlose Auskunft über die gespeicherten Daten und eine Korrektur fehlerhafter Einträge verlangen. „Der Weg zur kostenlosen Auskunft gerät im Internet aber mitunter zum Versteckspiel. Und wer diese dann in Händen hält, für den ist sie ein Buch mit sieben Siegeln. Denn unverständlich bleibt, wie die gespeicherten Daten gewichtet werden und warum Verbraucher in einer Risikogruppe landen“, fordert Schuldzinski vom Gesetzgeber Nachbesserungen im Bundesdatenschutzgesetz.
Banken, Mobilfunkfirmen, Onlinehändler – sie alle erfragen bei fast jedem Geschäft bei Wirtschaftsauskunfteien, wie wahrscheinlich es ist, dass der Kunde seine Rechnungen bezahlt oder sein Kredit tatsächlich getilgt wird. Dass die dort gespeicherten personenbezogenen Daten daran zweifeln lassen, erfahren diese aber erst, wenn der Vertragsschluss oder bestimmte Konditionen abgelehnt werden. „Auskünfte über gespeicherte Daten einzufordern ist daher erste Verbraucherpflicht“, appelliert der Verbraucherzentralenvorstand, das nach Paragraf 34 Bundesdatenschutzgesetz zustehende Recht auf kostenlose Auskunft wahrzunehmen. Das muss nicht zwingend schriftlich passieren, sondern geht auch telefonisch. Allerdings: Wer via Internet bei den großen Auskunfteien erfahren will, welche personenbezogenen Daten zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit dort gespeichert werden, der muss auf deren Homepages mitunter erst eine Odyssee zur kostenlosen Auskunft auf sich nehmen. Dies hat ein Markt-Check der Verbraucherzentrale NRW bei den fünf Wirtschaftsauskunfteien Credtireform Boniversum, Bürgel, Deltavista, arvato infoscore und der Schufa (Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung) jetzt zutage gebracht. Anstatt mit einem Klick zum gesetzlich verbrieften kostenlosen Auskunftsanspruch zu navigieren, promotet beispielsweise die Schufa prominent die Vorzüge ihrer kostenpflichtigen Varianten. Wer nicht aufpasst, zahlt so schnell für eine Auskunft, die ähnlich auch kostenlos erhältlich wäre.
„Das Verfahren wird kaum gut auffindbar präsentiert“, fasst Wolfgang Schuldzinski zusammen, „es braucht bis zu fünf Klicks, um dorthin zu gelangen.“ So bewirbt die Homepage der SCHUFA prominent ihr kostenpflichtiges Angebot zum Preis von 24,95 Euro und lässt in einem Kasten unter dem Hinweis „Datenübersicht nach § 34 Bundesdatenschutzgesetz“ nur Eingeweihte den Weg zur kostenlosen Auskunft erahnen. Auch wer dem Hinweis zur Broschüre „Bonitätsauskunft“ folgt, landet bei einer SCHUFA-Online-Auskunft im Abonnement für jährlich ab 47,40 Euro – plus 9,95 Euro einmaliger Registrierungsgebühr. Selbst wenn findige Nutzer sich für die „Datenübersicht nach § 34 Bundesdatenschutzgesetz“, also die kostenlose Auskunft, entscheiden, finden sie zunächst die vermeintlichen Vorzüge der kostenpflichtigen Auskunft angepriesen.
Bei Creditreform Boniversum landet die kostenlose Auskunft über www.bonigo.de im Warenkorb. „Wird sich für den Artikel ‚Meine Auskunft nach § 34‘ entschieden, erscheint der Preis von 0,00 Euro, was dann im Bestellformular bestätigt werden muss“, bemängelt Schuldzinski das verwirrende Verfahren, die Durchsetzung eines Auskunftsanspruchs an eine Bestellung zu koppeln. Im Webauftritt der Bürgel Wirtschaftsinformationen verbirgt sich der Hinweis auf die Auskunftsrechte optisch im Bereich des Impressums: „Wo Kunden Angaben über die Betreiber der Seiten erwarten, werden sie keinen Fundort für das Einholen von Auskünften vermuten“, konstatiert der Verbraucherzentralenvorstand viel Einfallsreichtum.
„Wer den Weg zur kostenlosen Auskunft findet, sieht sich dann mit wenig aufschlussreichen Datenübersichten konfrontiert“, fasst Schuldzinski das Ergebnis einer Stichprobe zusammen: Anfang 2016 hatte die Verbraucherzentrale NRW ein Dutzend Verbraucher bei den fünf Wirtschaftsauskunfteien zum Test Auskünfte einholen lassen: „Übermittelt wurde dann nach bis zu 28 Tagen eine Vielzahl verschiedener Wahrscheinlichkeitswerte, branchenspezifischer Scorewerte und Ratingstufen. Doch anhand der mitgelieferten Erläuterungen konnten Auskunftsuchende weder nachvollziehen, wie die Wahrscheinlichkeit berechnet wird, dass sie ihren Zahlungspflichten nachkommen, noch was die Erfüllungsprognosen im Einzelnen bedeuten“, stellt er deren untauglichen Informationsgehalt heraus. Eindrucksvoll unterstrich dies übrigens auch, dass die Kreditwürdigkeit von Kunden von den Auskunfteien unterschiedlich bewertet wurde. Außerdem: Ein verständlicher Hinweis, dass fehlerhafte Daten von den Auskunfteien korrigiert werden müssen, ist nur auf den Datenblättern der Schufa zu finden.
„Der Gesetzgeber sollte die Auskunfteien verpflichten, dass sie klar und deutlich auf den kostenlosen Auskunftsanspruch hinweisen müssen und in den zur Verfügung gestellten Datenblättern darüber aufklären, dass fehlerhafte Daten zu berichtigen sind“, fordert Schuldzinski Nachbesserungen ein: „zudem muss der bisherige Anspruch auf die Information über gesammelte personenbezogene Daten dahingehend erweitert werden, dass Verbraucher auch erfahren, wie die verwendeten Daten gewichtet und welche Vergleichsgruppen herangezogen wurden und welcher Gruppe der Auskunftsuchende selbst zugeordnet wurde. Nicht zuletzt: Die Auskunfteien müssen verpflichtet werden, Verbraucher automatisch zu informieren, wenn sich der Scorewert signifikant verschlechtert und warum die Verschlechterung eingetreten ist.“
Dass die Datenschutz-Grundverordnung der EU, die ab 25. Mai 2018 gilt, deutlich unbestimmter gefasste Regelungen rund um das Scoring vorsieht als das aktuell gültige Bundesdatenschutzgesetz, alarmiert die Verbraucherschützer. „Es gilt, mindestens bestehende rechtliche Standards zu halten – und aufgezeigte Schwachstellen nachzubessern“, so Schuldzinski.
Der Markt-Check zum kostenlosen Auskunftsanspruch von Verbrauchern bei Auskunfteien wurde durch die GP Forschungsgruppe des Instituts für Grundlagen- und Programmforschung im Auftrag der Verbraucherzentrale NRW durchgeführt. Die Untersuchung ist Bestandteil des Projekts „Aktuelle verbraucherpolitische Herausforderungen in der digitalen Welt“, das vom Ministerium für Verbraucherschutz des Landes NRW finanziell gefördert wird. In diesem Rahmen erstellte die Projektgruppe „Verfassungsverträgliche Technikgestaltung“ an der Universität Kassel unter Leitung von Prof. Dr. Alexander Roßnagel im Auftrag der Verbraucherzentrale NRW auch ein Gutachten zum Thema „Entgeltliche Auskunftsansprüche zu Score-Werten und ihr Mehrwert für den Verbraucher“. Verbrauchertipps zum Auskunftsrecht unter: www.verbraucherzentrale.nrw/scoring
Pressemeldung Verbraucherzentrale NRW
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